Überlegungen zur Situation der Emsverschlickung

Dipl.-Ing. Harm Diestel
Birkenstraße 179
26810 Westoverledingen

27.03.2016

Überlegungen zur Situation der Emsverschlickung

Durch die Überdüngung auf den landwirtschaftlichen Flächen und Transport der Nitrate über Siele und Flüsse in die See wird das Wachstum von Algen im küstennahen Bereich gefördert. Ein wesentlicher Anteil der abgestorbenen Algen bildet die Basis für Schlick. Um diesem Problem zu begegnen muss Gülletourismus aus Massentierhaltung und übermäßiges Ausbringen der Gülle auf die Wiesen kontrolliert und verhindert werden.

Problemzonen:

  1. Im Bereich der äußeren Ems in Richtung Emden wird ständig gebaggert, um die Zufahrt zum Emder Hafen für die Seeschiffe freizuhalten. Das Baggergut wird  im Bereich der Leybucht, also im Bereich des Wattenmeeres und der Gezeitenströmung verklappt ( umverlagert ). Die Folge ist, das ein Teil des ausgebaggerten Bodens als Schwebstoffe ( Schlick ) mit den nächsten Fluten wieder zurück in die Ems gespült wird.
    Da die Flut mit dem enthaltenen Schlick schneller aufläuft ( Flutdominanz ), und die Ebbe langsamer zurück läuft, werden die Schwebstoffe  nicht wieder in die See befördert. So ist es natürlich, das es zu Ablagerung des Schlicks kommt.
    Überlegungen und Lösungen zu 1:

    Jegliches Baggergut sollte in eingedeichte Polder gespült werden, die im Deichvorland angelegt werden könnten. ( Landgewinnung ) Bei einem Gespräch im WSA-Emden am 13.1.2015  wurde diese Praxis auf Spülfelder auch bis 1990 ausgeführt, aber aus Kostengründen  geändert, d.h. hier könnte als erstes eine sinnvolle Lösung gefunden werden.
    Aus der Zeitung im März 2016 ist zu erfahren, dass der Emdener Hafen vertieft werden soll und das Baggergut im Wybelsumer Polder aufgespült werden soll. Hier wird also keine Landgewinnung geplant, sondern kurzfristig Wiesen- und Weideland umfunktioniert.
    Weiterhin sollte nur während der Ebbe gebaggert werden, damit die aufgewühlten Schwebstoffe in Richtung See transportiert werden.
  1. Die westliche Seite der Emsmündung wird durch einen Leitdamm als Trennung zum Dollart begrenzt. Auf der Karte sieht man, dass dieser Leitdamm sich in Richtung Westen öffnet, dadurch wird regelrecht ein Trichter geformt. Auf Holländischer Seite lenkt der Leitdamm zum Hafen Delfzijl den Flutstrom zusätzlich noch in Richtung Emsmündung. Diese Bauwerke leiten die Strömung verstärkt in die Ems und damit auch den Schlicktransport. Außerdem ist der Leitdamm nördlich von Pogum  durchlässig, so daß vom Dollart her Schlick in die Ems gespült wird. Nach Auskunft des WSA wäre dieses nur Marginal, aber es entspricht auch dem Kenntnisstand beim WSA.
    Überlegungen und Lösungen zu 2:

    Verlegung des Kopfes des Leitdamms ( Geisesteert ), ausgebildet als Mole in Richtung Osten und Errichtung einer Mole vom Festland aus, um eine schmalere Durchfahrt in die Ems zu erzeugen. Die jetzige Öffnung beträgt ca. 1500 m, eine Reduzierung wäre denkbar, ohne die Schifffahrt zu behindern. Die Molen sollten als Hafenschutz  fungieren, wie es bei anderen Häfen, die an der See liegen auch gemacht wird.
    Beispiele: Zeebrügge, Ijmuiden, Hvide Sande etc. Der bestehende Leitdamm müsste natürlich repariert und eventuell verstärkt werden.
    Zum besseren Verständnis: Die Wirkung dieser Maßname ist die gleiche, als wenn man eine Flasche in ein strömendes Wasser hält. Es kommt nur eine durch die Flaschenhalsöffnung definierte Wassermenge in die Flasche.
    Durch eine schmalere Einfahrt wird die Wassermenge der Flut, die in die Ems aufläuft, reduziert. ( Q=v x A )
    Bei bestehendem, nachfolgendem Flussquerschnitt verringert sich somit die Fließgeschwindigkeit der Flutwelle in der Ems und entsprechend wird der Schlicktransport reduziert. Der Wasserdruck der Flutwelle wird wegen des kleineren Einlassquerschnittes reduziert und das Flußwasser der Ems könnte die Brackwasserzone wieder in Richtung Emden verlagern.
    Die vorgenannten Lösungen zeigen auf, das man die Wasserqualität in der Ems durch entsprechende Maßnahmen im Außenbereich des Ästuars verbessern könnte, d.h. die Ursachen sollten bearbeitet werden und nicht die Auswirkungen innerhalb der Ems.
  1. Vorhaben aus dem Masterplan zur Schlickbekämpfung:
    1. TidepolderMit dem Begriff Tide Auen, wie in der Presse immer wieder genannt, wird eine positive Meinung suggeriert.
      Wir haben jedoch eine Flussmündung, ein Ästuar zur Nordsee, mit Ebbe und Flut. So kann man die Tidenpolder nur als Beruhigungszonen für das fließende Wasser und damit als Absetzbecken für den Schlick betrachten. Die Wirksamkeit dieser Absetzbecken kann nur durch fortlaufende Ausbaggerungen gewährleistet werden. Das Baggergut muss entsprechend deponiert werden.

      Beispielrechnung:
      Ein Tidenpolder von 30 ha ( wie in Coldemüntje, Gem. WOL schon festgelegt ) nimmt bei einem Tidenhub von 2 m eine Wassermenge von
      Q polder= 600 000 m³ auf.

      Die jetzige Öffnung an der Emsmündung beträgt ca. 1500 m, der mittlere Tidenhub beträgt 2 m. Die Strömung setzt im Durchschnitt mit einer mittleren Geschwindigkeit von 4 kn, d.h. 7408 m/h.

      Daraus ergibt sich die einströmende Wassermenge
      Q= 7408m/h x 3000 m² = 22 224 000 m³/ h

      Die Wassemenge bezieht sich auf eine Stunde, die Flut läuft jedoch über einen längeren Zeitraum, so das ein Mittel von 3 h angenommen werden kann. Außerdem haben Messungen am Sperrwerk ergeben, das nicht 22 Mio., sondern 40 Mio. m³/h einfließen.

      Daraus folgert also eine Menge von ca. 120 Mio. m³ pro Flut. Das Verhältnis von 120 000 000 m³ zu 600 000 m³ beträgt also
      200 zu 1, d.h  0,5%

      Aus dieser Berechnung ist zu ersehen, wie der Nutzen der Maßnahme sein wird, unabhängig von allen Stromverhältnissen. Eine Umkehr des Schlicktransportes in Richtung Leer/Emden/Außenems, ist bei diesen, während der Flut gespeicherten Wassermengen, eher nicht zu erwarten.
      Außerdem bewegt sich die schlickbeladene Wassersäule ( fluid mud ) im tiefen Fahrwasserbereich unabhängig  von dem Oberflächenstrom und sogar stromaufwärts, wenn darüber die Ebbe schon stromabwärts läuft. Dieses ist als Folge des Wasserdrucks durch die Flutdominanz und der Trägheit des Fluid mud zu verstehen, eine Pumpwirkung in Richtung Herbrum.

      Als Ergebnis der vorgesehenen Planungen kann nur festgestellt werden, dass    landwirtschaftliches Nutzland unsinnigerweise dem Meer preisgegeben werden soll. Es werden Schlickabsetzbecken gebaut, wobei der auszubaggernde Schlick auf Deponien gelagert werden muß. Die Flächen hierfür sind im Masterplan nicht genannt, d.h. zu den Polderflächen müssen zusätzliche Landgebiete bereitgestellt werden, die kurzfristig einer totalen Umweltveränderung unterliegen. Natürliche Habitate werden zerstört. Wiesenvogelschutz kann so nicht erfolgen.

    2. TidensteuerungDie Tidensteuerung mit dem Sperrwerk wurde ohne Erfolg versucht. Ein Dalben von ca 30 t wurde unterspült, das ausgespülte Loch wurde für 4 Mio. € aufgefüllt. Bei weiteren Versuchen kann niemand für die Haltbarkeit des Emssperrwerkes garantieren. Da das Emssperrwerk als Küstenschutz gebaut wurde, wird also massiv gegen den Sinn dieses Bauwerkes verstoßen. Mit der Ausbaggerung der Ems für die Überführung der Meyerschiffe wird ein Kanal für die nächste Jahrhundertflut vorbereitet und wenn das Sperrwerk bricht, ist die Katastrophe vorprogrammiert.
    3. SohlschwelleDie Sohlschwelle erfordert eine Schleuse für die Schifffahrt und entsprechende kostenintensive Baumaßnahmen. Die Auswirkungen auf Wasserqualität und Umwelt sind jedoch nicht absehbar. Erfahrungen aus dem Delta Projekt in Holland sollte man berücksichtigen.

      Außerdem würde sich nördlich der Sohlschwelle der Schlickanteil verstärken, so wie vom WSA-Emden anlässlich einer Information bei der Initiative “Rettet die Ems”vorgestellt. Durch das Schliessen des Ijsselmeeres und des Lauwersmeeres und der West-Ost Drift des Schlicks, wird das Mündungsgebiet der Ems entsprechend belastet.

  1. Das Ergebnis der Überlegungen zum Masterplan besagt, das man wie in Pkt.1+2 vorgeschlagen, die Ursachen bekämpfen muss. Die Schlickbremse muss vor die Emsmündung, also zum Geisesteert gelegt werden.Um dem Naturschutz zu genügen, könnten trotzdem Überflutungsgebiete an der Ems angelegt werden und die im Masterplan vorgesehenen Maßnahmen weiter verfolgt werden.
    Die Studien könnten sich dann jedoch besser auf die vorgenannten Überlegungen beziehen.

 

  1. Natürlich muss auch die Lage der Meyerwerft in Papenburg berücksichtigt werden als weiterer Verursacher der Situation. Es wird die „Quadratur des Kreises“ versucht, indem man einen Kanal in den Fluß verlegt und durch die Ausbaggerungen die Strömungsgeschwindigkeit und den Schlicktransport vergrößert. Außerdem wird das Salzwasser bis nach Papenburg gespült und somit die Tragfähigkeit für Seeschiffe entsprechend erhöht.
    Bisher wurden Kanäle neben den Flüssen gebaut, wie der Dortmund-Ems-Kanal bis Dörpen, oder der Lippe-Seiten-Kanal, oder der Nord-Ostsee-Kanal neben der Eider.
    Ein Kanal von Papenburg über Bunde/ Neue Schanz und nach Statenzijl wäre eine Lösung, die in Zusammenarbeit mit den Niederlanden erfolgen müsste und dem wirtschaftlichen Aspekt Rechnung trägt. Damit wäre eine Zukunftsförderung des gesamten Emslandes mit entsprechender Anbindung des Küstenkanals und des Dortmund-Ems Kanals an die Nordsee und das Kanalnetz in den Niederlanden geschaffen.

Der Fluss wäre komplett entlastet.